Bei der Gestaltung der zukünftigen Bund-Länder-Finanzen hat man sich fast unbemerkt auf eine grundlegende Änderung in der Verkehrspolitik geeinigt. Auch wenn Details noch offen sind: Eine Bundesfernstraßengesellschaft nach privatem Recht abseits des Bundeshaushalts soll entstehen. Dies führt in eine Privatisierung, welche die Steuerzahler am Ende mehr Kosten wird. Profitieren sollen Baukonzerne sowie Banken und Versicherungen. Eine Bundesfernstraßengesellschaft ist aus meiner Sicht nicht die Lösung. Die GRÜNEN auch in den Ländern dürfen der dafür notwendigen Grundgesetzänderung nicht zustimmen.
Aber klar ist, dass wir eine Veränderung in der Verkehrsplanung und –finanzierung des Bundes brauchen. Sie muss bürgerfreundlicher werden, Erhalt wirklich vor Aus- und Neubau stellen und verkehrsträgerübergreifend denken. Nur so können wir wirklich nachhaltige, ökologische und ökonomische Verkehrspolitik gestalten.
Die Hintergründe erläutere ich in diesem Artikel.
Worum geht es eigentlich?
Die Einigung zur zukünftigen Gestaltung der Bund-Länder-Finanzen wie am 14. Oktober zwischen Vertreter*innen der Bundesregierung und der Landesregierungen verabredet bringt für Nordrhein-Westfalen und die Länder insgesamt sicher Vorteile. Gemeinhin wird das Paket als Niederlage für den Bund und für Finanzminister Schäuble interpretiert. Das mag in der Gesamtschau so sein. Ein Punkt, bei dem der Bund als Sieger dasteht, wird bislang weniger beachtet: Die vollständige Neuordnung der Bundesfernstraßenverwaltung. So heißt es in der Einigung vom 14. Oktober:
„Infrastrukturgesellschaft Verkehr
Reform der Bundesauftragsverwaltung mit Fokus auf Bundesautobahnen und Übernahme in die Bundesverwaltung (übrige Bundesfernstraßen opt out). Es soll eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr eingesetzt und das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Dazu entsprechende Ermächtigungen in Art. 90 GG. Eckpunkte für die Ausgestaltung sind festzulegen (u.a. Zeitplan, Regelungen in der Übergangsphase, Übergang von Personal-, Pensions- und Sachmitteln). Dabei sollen die Interessen der Beschäftigten hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort beachtet werden. Die Personalvertretungen werden eingebunden.“
Ob das alle Bestandteile der Einigung sind, ist mir nicht bekannt. Sicher werden nun noch viele Details auszuhandeln sein.
Zurzeit verwalten die Länder die Autobahnen und Bundesstraßen im Auftrag des Bundes. So steht es im Grundgesetz. Der Bund gibt die Richtung vor, welche Straßen neu oder ausgebaut werden, und er zahlt dafür. Die Länder, in NRW z.B. der Landesbetrieb Straßen.NRW, setzen das um und kümmern sich dazu um kleineren Ausbau und Erhaltung ebenso auf Kosten des Bundes.
Nun soll es anders werden und der Bund dies übernehmen. Das ist mehr als ein Randaspekt der großen Bund-Länder-Einigung. Hier geschieht ein verkehrspolitischer Paradigmenwechsel zum „Finanzierungskreislauf Straße“ und zur Privatisierung.
Doch wer will eigentlich eine Bundesautobahngesellschaft? Im politischen Berlin vor allem die Minister Schäuble, Dobrindt und Gabriel. Weitere Befürworter sind die Bauindustrie, der straßenfreundliche Verband „Pro Mobilität“ oder der BDI.
Autobahn-GmbH: Schattenhaushalt, Renditen für die Finanzindustrie und Privatisierung
Das Interesse des Bundesfinanzministers: Die Straßenfinanzierung soll aus dem Bundeshaushalt herausgelöst werden. Vermutlich so wie in Österreich, wo die Autobahngesellschaft ASFINAG nicht nur das Autobahnnetz übertragen bekam sondern auch gleich Schulden, welche den Wert des Netzes widerspiegeln. Ziel: Formal sollte Österreich den EU-Stabilitätspakt leichter einhalten. Noch heute hat die ASFINAG 11,6 Mrd. Euro Schulden bei Kreditinstituten für 2.200 km Autobahn. Grob umgerechnet auf Deutschland wären das 68,5 Mrd. Euro für die Autobahnen, die auf einmal keine Schulden der BRD mehr wären, sondern einer Autobahn-GmbH.
Und wegen der Schulden und zur Finanzierung des Straßenneubaus muss es eine GmbH sein. Sie soll ohne Bürgschaften des Staates Kredite aufnehmen und höhere Zinsen zahlen als der Staat es müsste – wenn er derzeit überhaupt Kredite aufzunehmen braucht. Zinsen zahlt die GmbH dann vor allem an die Versicherungs- und Finanzkonzerne . In einem Positionspapier der Versicherer von 2015 heißt es sehr offen:
„Mit einem Kapitalanlagebestand von 1,4 Billionen Euro haben Versicherer grundsätzlich ein großes Interesse daran, ihre Investitionen in Infrastruktur auszuweiten.“
Und so schlug dann auch die von Wirtschaftsminister Gabriel eingesetzte „Fratzscher-Kommission“, gegen das Votum der Gewerkschaften, eine verstärkte „Mobilisierung“ privaten Kapitals für den Straßenbau vor. Was im Endeffekt bedeutet, dass Kredite zu höheren Zinssätzen als notwendig aufgenommen werden sollen.
Die Zentralisierung der Straßenbauverwaltung hat einen damit in Zusammenhang stehenden Effekt: Eine neue Autobahngesellschaft würde sich noch mehr für Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) öffnen. Und das obwohl ÖPP erwiesenermaßen teuer ist. Bei ÖPP bauen bzw. betreiben private Konsortien aus Großkonzernen Autobahnabschnitte und stellen dies jährlich dem Bund in Rechnung.
Von daher überraschen die Äußerungen von Wirtschaftsminister Gabriel, der verkündet, eine Privatisierung „verhindert“ zu haben (Zeit-Artikel). Denn die Initiative zu dieser ganzen Neuordnung geht von dieser Bundesregierung aus. Und vielleicht wird eine Autobahn-GmbH das formale Eigentum in öffentlicher Hand halten. Doch ÖPP, vor allem zum Neubau, wird es umfangreich geben. Die faktische Privatisierung der Autobahnen wird so eingeleitet.
Zwischenfazit: Vermutlich soll über Schuldenauslagerung und sehr wahrscheinlich durch verstärktes ÖPP mittels einer privatrechtlichen Fernstraßen-GmbH eine versteckte Subvention von Banken und Versicherungs- sowie Baukonzernen zum Nachteil aller (autofahrenden) Bürger*innen und des Mittelstands geschaffen werden.
Die Bundesautobahngesellschaft als Organisation gegen die Verkehrswende
Die neue GmbH soll sich aus der Maut finanzieren. Nicht nur die Maut für Lkw, sondern bald auch für Pkw, wenn die EU die das nicht stoppt. Eigentlich ist für die CSU das Argument „Ausländer müssen auch zahlen“ nur ein Vehikel zur Durchsetzung der Pkw-Maut. Denn was viele übersehen: Auch für Inländer würde eine Maut fällig, nur diese würde mit der Kfz-Steuer verrechnet. Formalrechtlich sollen aber auch Inländer*innen eine Maut zahlen.
Aber im Gegensatz zu Steuern sind Mauteinnahmen zweckgebunden. Die Mauteinnahmen für Lkw (und evtl. Pkw) sollen in Zukunft nicht beim Bund landen, sondern direkt an die Fernstraßen-GmbH fließen. Dabei dürfte es nach Ausweitung der Lkw-Maut und inklusive Pkw-Maut grob geschätzt um insgesamt ca. 10 Mrd. Euro pro Jahr gehen, natürlich abzüglich der Beträge für Bundesstraßen. Der Grundstein ist durch die Installation der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) bereits vor einigen Jahren gelegt worden. Und das ist das Interesse von Herrn Dobrindt: Unabhängigkeit vom demokratisch beschlossenen Bundeshaushalt durch „eigene“ Einnahmen und „eigene“ Ausgaben für den Bereich Straße.
Wer einmal dachte, man könnte auch Einnahmen der Lkw-Maut nehmen, um damit umweltfreundliche Verkehrsträger wie Schiene oder Wasserstraßen als Alternativen auszubauen, der hatte gute Vorsätze. In der Realität sieht es schon lange anders aus: Die Einnahmen der von Rot-Grün zum 1.1.2005 eingeführten Lkw-Maut fließen nicht mehr wie noch unter Rot-Grün auch in die Schiene sondern seit 2011 komplett in den Sektor Straße. Und die Mauteinnahmen gehen nicht nur in den Erhalt des bestehenden Netzes, sondern auch in Aus- und Neubau. Bei einer Autobahn-GmbH dürfte es nicht anders sein.
Mit der Autobahn-GmbH direkt finanziert durch Lkw- und Pkw-Maut soll ein komplett eigenständiger Finanzierungskreislauf Straße geschaffen werden. Nicht zu umgehende Gebühren aller Autobahnnutzer*innen werden erhoben, um damit neue Straßen zu finanzieren. Dies kann zu einem Wachstum des Straßenverkehrs führen, indem durch neue Straßen mehr Pkw und Lkw diese nutzen und mehr Gebühren zahlen, aus denen dann wieder Neubau finanziert wird.
Zwischenfazit: Die Bundesfernstraßengesellschaft ist der Kern eines „Finanzierungskreislaufs Straße“, die Neu- und Ausbau vor allem durch ÖPP forciert. Ein Umlenken von Mitteln zu Alternativen wie Schiene und Wasserstraße wird verunmöglicht. Die eigentlich notwendige Verkehrswende für mehr Klimaschutz rückt in weite Ferne.
Alles Bund, alles besser?
Heute haben die Länder und ihre Verwaltungen die Planungsaufgaben. Damit unterliegt das Reizthema Straßenplanung (Lärm, Schadstoffe, Städtebau) immer noch einer gewissen politischen Kontrolle: Straßenplanungen können angepasst werden, Netzlösungen sind denkbar, Alternativen zur Entlastung der Fernstraßen von lokalen Verkehren mittels ÖPNV und mehr Radwegen durch Mobilitätsplanung sind zumindest möglich, auch wenn es viel zu wenig passiert. Kompromisse für Anwohner*innen und Umwelt sind etwas einfacher. Die Entscheider*innen vor Ort stehen in der Mitverantwortung für Straßenplanungen. In Zukunft würde eine GmbH in Berlin planen und die dürfte einer Kompromissbereitschaft für menschen- und umweltfreundliche Lösungen noch weniger Priorität einräumen.
Dass mit der Zerschlagung der Straßenverwaltung auch Ineffizienzen geschaffen werden, nimmt man wohl in Kauf. Denn eigene Ingenieure, Betriebsdienste etc. für Autobahnen auf der einen und Bundes- sowie Landesstraßen auf der anderen Seite machen wenig Sinn. Und die zentrale Verwaltung im 80-Mio.-Staat Deutschland funktioniert nicht unbedingt besser als die bestehenden Strukturen. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) mit Personalmangel und Investitionsstau sowie die DB Netz (in privater Rechtsform!) zeigen, dass das Hochziehen der Verantwortung auf Bundesebene nicht unbedingt nachhaltig ist.
Zwischenfazit: Die zentrale Bundesfernstraßengesellschaft sorgt dafür, dass bei Planung, Bau und Betrieb Ineffizienzen entstehen und Kompromisslösungen mit Anwohner*innen und Naturschutz schwieriger werden.
Kritiker der Bundesfernstraßengesellschaft bzw. ÖPP
Die Gewerkschaften wenden sich gegen die Pläne. Einerseits, weil sie keine Privatisierung der Infrastruktur wollen und andererseits, weil sie negative Konsequenzen für die bestehenden Straßenbauverwaltungen fürchten. Initiativen wie „Gemeingut in BürgerInnen-Hand“ machen in Kooperation mit Attac mobil gegen die verwandten Ansätze ÖPP und Bundesfernstraßengesellschaft.
Die Kritik an ÖPP und Bundesfernstraßengesellschaft ist breit, auch in der Wissenschaft. Experten wie Prof. Holger Mühlenkamp haben sich intensiv mit privaten Finanzierungsmodellen in der Bundesfernstraßenverwaltung beschäftigt. Sie warnen vor mehr privater Finanzierung. Damit stehen Sie an der Seite des Bundesrechnungshofes, der die Mehrkosten privater Finanzierung schon nur bei fünf ausgewählten ÖPP-Straßenprojekten auf zwei Milliarden Euro beziffert. Es gibt eine Vielzahl von Gutachten, in denen Bundesrechnungshof nachweist, dass ÖPP teurer ist.
Auch die Länder gehörten eigentlich zu den Kritikern der Bundesfernstraßengesellschaft und von ÖPP. Noch auf der Verkehrsministerkonferenz in Worms im Oktober 2015 heißt es im Beschluss:
„Die Auftragsverwaltung hat sich bewährt. Die Verkehrsministerkonferenz weist darauf hin, dass die gegebenen Möglichkeiten zur Optimierung der bestehenden Auftragsverwaltung, vor allem zur Verbesserung der vorhandenen Abläufe im Hinblick auf Kosten-und Termintreue, Effizienz und Transparenz, genutzt werden müssen.“
Und zuletzt im Februar präsentierten die Verkehrsminister die Ergebnisse der Bodewig II – Kommission, die wie folgt zusammengefasst werden können: Eine Bundesfernstraßengesellschaft hat viele Schwächen. Wir können im bestehenden System sehr gut optimieren und brauchen dafür keine Grundgesetzänderung. Die Vorschläge von Bodewig II sind in der Tat lesenswert und zeigen: Notwendige Reformen der Straßenbauverwaltung sind möglich – auch ohne die Nachteile wie ÖPP und Zentralverwaltung. Ein Kernpunkt – und auch das ist seit Jahren bekannt – ist die „Überjährigkeit“ der Projektfinanzierung, die endlich kommen muss.
Folgerichtig heißt es im Beschluss der Verkehrsminister:
„Die Verkehrsministerkonferenz lehnt die bisher bekannten Vorschläge des Bundes zur Errichtung einer Bundesautobahngesellschaft bzw. einer Bundesfernstraßengesellschaft ab.“
Und auch viele Länderparlamente bezogen eindeutig Position. So zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo es in einem sehr guten maßgeblich von Arndt Klocke herbeigeführten Beschluss vom 2. März 2016 heißt:
„Die bisher bekannten Vorschläge der Bundesregierung zur Errichtung einer Bundesautobahn- bzw. Bundesfernstraßengesellschaft werden abgelehnt.“
Weitere Landtage, die gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft Position bezogen, sind z.B. Bayern oder Baden-Württemberg (wo man die Argumente heute noch nachlesen kann).
Dann kam die Einigung der Ministerpräsident*innen.
Diskussionen innerhalben der GRÜNEN
Konsens herrscht innerhalb der GRÜNEN über die Notwendigkeit von Änderungen. Wie diese geschehen können, darüber gibt es natürlich Diskussionen und Ansätze, die sich teilweise unterscheiden. Die Verkehrspolitiker*innen Valérie Wilms und Stephan Kühn sind offen für den Gedanken einer Bundesfernstraßengesellschaft. Sie sehen dies als Instrument, um Nachteile abzubauen und zum Beispiel zu einer Überjährigkeit der Finanzierung zu kommen. In vielen Gesprächen wurden „grüne“ Aspekte dieser Position geschärft, zum Beispiel, dass aus Maut-Mitteln kein Neu- oder Ausbau erfolgen soll oder dass sie die Rechtsform einer AöR erhalten soll. Und auch sie wenden sich gegen ÖPP und Privatisierung innerhalb einer Bundesfernstraßengesellschaft. Das Resultat ist ein für sich genommen diskussionswürdiges Autorenpapier.
Doch die darin enthaltenen Forderungen haben mit den Plänen der Bundesregierung wenig zu tun. Ein Vorwurf an dieser Stelle: Mit ihrer Argumentation für den Begriff „Bundesfernstraßengesellschaft“ haben maßgebliche Grüne Verkehrspolitiker*innen auf Bundesebene ihre Sympathie für einen Begriff gezeigt, der jetzt Realität werden könnte. Aber ganz anders als von Grünen gedacht: Nicht als effizientes Verwaltungsinstrument, sondern zum Neu- und Ausbau von Straßen auf Kreditbasis. Dass es aber nicht so läuft wie erträumt, hätte man früher sehen können.
Deutlich pointierter verhielten sich dagegen die grüne Fraktionsspitze mit Toni Hofreiter sowie die Vertreter*innen aus den Ländern, die vielfach gute und nach vorne gerichtete Beschlüsse gegen das Vorhaben initiierten (s.o.).
Notwendig für die Bundesfernstraßen-GmbH ist eine Grundgesetzänderung. Und die braucht eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Länder haben es nach wie vor in der Hand, den Vorschlag des Bundes abzulehnen oder zumindest so umzugestalten, dass die beschriebenen Nachteile nicht auftreten.
Auch meiner Sicht müssen die GRÜNEN in den Landesregierungen ihre Stärke nutzen und eine Grundgesetzänderung, die zu sozial und ökologisch falschen Weichenstellungen führt, verhindern.
Vorschlag für Grüne Eckpunkte
Man muss nicht nur kritisieren, sondern auch nach vorne denken. Für ein GRÜNES Konzept einer ökologisch und effizient organisierten Straßenbauverwaltung sehe ich einige Eckpunkte, die hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgelistet werden:
- Umschichtung zwischen Verkehrsträgern: Statt Finanzierungskreisläufe für einzelne Verkehrsträger, müssen Querfinanzierungen zugunsten von Schiene und Wasserstraße haushalterisch ausgebaut werden. Das geht am besten über Steuern oder über eine Infrastrukturgesellschaft. Natürlich muss dazu die Lkw-Maut auf alle Fahrzeuge ab 3,5 t und alle Straßen erweitert werden. Das ist die finanzielle Seite der Verkehrswende.
- Bundesnetzplan: Was die Umschichtung von Geldern auf der einen Seite ist, ist auf der anderen Seite die Planung. Statt Verkehrsprojekte nur für sich zu prüfen wie beim neuen/alten Bundesverkehrswegeplan, müssen verkehrsträgerübergreifende Lösungen bevorzugt werden. Warum nicht auch mal ein verträglicher Schienenausbau für den Güterverkehr, um eine Autobahn zu entlasten? Das Instrument ist der Bundesnetzplan wie ihn auch die grüne Bundestagsfraktion fordert.
- Überjährigkeit und Bilanzierung: Verkehrsinfrastrukturentwicklung ist kein Tagesgeschäft. Sowohl für den Betrieb wie auch für Baumaßnahmen muss man daher weg vom Jährlichkeitsprinzip der Haushalte wo Scheibchenweise nach jährlichen Haushaltsbeschlüssen das Geld langsam fließt. Verlässliche Projektfinanzierungen machen dagegen gerade die Straßenbauverwaltung effizienter. Eine betriebswirtschaftliche Bilanzierung kann sinnvoll sein, um die Erhaltung der Netze abzusichern. Aber dafür braucht es keine private Rechtsform.
- Erhalt vor Neu- und Ausbau: Dieser Grundgedanke ist in aller Munde, es passiert jedoch zu wenig. Notwendig sind transparente Zustandsberichte für die Straßeninfrastruktur. Ländern sollte es freigestellt werden, Ressourcen beim Erhalt zu konzentrieren und dafür Mittel aus Neu- und Ausbauetats abzuschöpfen.
- Straßen abstufen / Standards senken: Es gibt viele Bundesstraßen, die lange schon keine nationalen Verkehre mehr abwickeln. Das Autobahnnetz ist massiv ausgebaut worden, oft verlaufen Autobahnen und Bundesstraßen parallel. Damit finanziert der Bund im Übrigen auch Infrastruktur für regionale und lokale Autoverkehre, was er beim Bereich Infrastrukturausbau Schiene bis auf dünne Förderprogramme nicht tut. Gegen einen dauerhaften finanziellen Ausgleich für die neuen Baulastträger sollten daher viele Bundesstraßen zu Landesstraßen abgestuft werden, viele Landesstraßen zu Kreisstraßen. Angenehmer Nebeneffekt: Die heute oft überzogenen Straßenbaustandards würden gesenkt und somit ökologisch und städtebaulich verträglichere Projekte ermöglicht.
- Synergien nutzen: In den Straßenbauverwaltungen gibt es auch Missstände. Sie haben aber eine Stärke: Statt Planer, Betriebsdienste usw. parallel vorzuhalten, werden überregionale Straßen aus einer Hand betreut. Diese Synergien müssen besser genutzt werden und die organisatorischen und finanztechnischen Regelungen dahinter überprüft werden.
- Verfahren straffen: Verfahren für den Neu- und Ausbau, sogar bei Ersatzneubau, von Verkehrswegen dauern oft (zu) lange. Das liegt aber nicht nur an Vorschriften. Es liegt auch daran, dass gerade Straßenbauprojekte oftmals in ökologisch und städtebaulich extrem konfliktträchtigen Räumen verfolgt werden. Und es liegt daran, dass Regeln zum Finanzfluss und zur Organisation hinderlich wirken. Entwürfe für Straßenbaumaßnahmen laufen lange zwischen Behörden hin und her, vor allem das führt zu Verzögerungen. Entsprechend der Empfehlungen von Bodewig II sollten die Straßenbauverwaltungen der Länder mehr Eigenverantwortung bekommen und die Planungsverfahren sowohl auf Bundes- wie auch auf Länderseite gestrafft werden. Eine frühzeitige Einbindung der Betroffenen und Verbände würde im Verfahren eher beschleunigend wirken, was auch der Bund so sieht.
- Kompromisse für Mensch und Umwelt ermöglichen: Straßenplanung folgt heute detaillierten Richtlinien und Gesetzen: RAA, RAL, 16. BImschV sind die wichtigsten. Dort ist fast alles geregelt: Breite, Steigungen, wer Anspruch auf Lärmschutz hat usw. Und mehr Geld als gesetzlich vorgeschrieben darf man nicht ausgeben, Linienführungen sind großzügig und damit konfliktträchtig. Das erschwert gerade in sensiblen Bereichen städtebaulich und ökologisch verträgliche Lösungen. Eine menschen- und umweltfreundliche Planung muss aber vor Ort Kompromisse finden können und braucht dafür auch die notwendige finanzielle und juristische Freiheit.
Das sind Eckpunkte für eine gute, umweltverträgliche, nachhaltige Organisation der Bundesfernstraßen. Dafür braucht es keine Grundgesetzänderung. Sie wäre aus meiner Sicht sogar schädlich. GRÜNE sollten sich endlich auf einer breiten Basis darauf konzentrieren, ein tragfähiges alternatives Konzept im Diskurs nach vorne zu bringen. Dazu soll dieser Text einen Beitrag leisten.