Immer mehr Menschen nutzen elektrisch unterstützte oder angetriebene Fahrräder, auch E-Bikes oder Pedelecs genannt. Denn damit kann man, weniger abhängig von der persönlichen Fitness, leichter längere Strecken oder Routen mit Steigungen umweltfreundlich mit dem Fahrrad bewältigen. Vor allem in ländlichen Räumen wird so das Radfahren auch im Alltagsverkehr deutlich attraktiver. Mittlerweile werden in Deutschland ungefähr so viele Pedelecs wie Fahrräder ohne Unterstützung verkauft.[1]
Anders als oftmals im allgemeinen Sprachgebrauch, werden formal folgende Arten von Pedelecs/E-Bikes unterschieden[2]:
- Pedelecs – mit Tret-Unterstützung (!)
- bis zu 25 km/h: Pedelec – zu behandeln wie ein Fahrrad
- bis zu 45 km/h: S-Pedelec – Kleinkraftrad
- E-Bikes – Antrieb allein über den Motor
- bis 25 km/h – ist ein elektrisch angetriebenes Mofa
- bis 45 km/h – ist ein elektrisch angetriebenes Kleinkraftrad
Am häufigsten verbreitet sind „normale“ Pedelecs mit Tret-Unterstützung bis 25 km/h.
Doch S-Pedelecs mit Unterstützung bis 45 km/h erfreuen sich auch einer gewissen Beliebtheit. Denn gerade für Pendler*innen auf längeren Strecken kann man damit noch zügiger unterwegs sein, und das emissionsfrei und kostengünstig.
Aber: Da sie bis zu 45 km/h fahren können und somit als Kleinkrafträder (= Kraftfahrzeuge) gelten, mit Helm- und Kennzeichenpflicht, müssen diese S-Pedelecs auf Fahrbahnen fahren, wie normale PKW oder Mototorräder. Radwege oder Rad-/Gehwege sind für sie tabu. Das ist erst einmal auch richtig so, zum Schutz von Fußgängern und anderer langsam fahrender Radfahrer.
Also: Wege mit den Verkehrszeichen 237, 240, 241, 244.1, 244.3 dürfen mit dem S-Pedelec nicht genutzt werden, wenn nicht ein Zusatzzeichen die Nutzung für Kraftfahrzeuge erlaubt, was aber in der Regel nur bei Fahrradstraßen und Fahrradzonen vorkommt. Gleiches gilt auch für Straßen mit dem Verbotszeichen 255 und 260. Ohne Zusatzschild sind diese Straßen und Wege für S-Pedelecs tabu.
Diese Vorgaben, also was die Schilder bedeuten, sind bundesrechtlich geregelt und einheitlich. Das Land NRW kann dazu keine pauschalen Ausnahmen oder Abweichungen ermöglichen.
Doch: Vor allem außerhalb von Ortschaften ist die Pflicht zur Nutzung der Fahrbahn schnell auch ein Nachteil und Sicherheitsrisiko für S-Pedelec-Fahrende, und andere Verkehrsteilnehmende. So gilt auf Landstraßen außerorts in der Regel für Kraftfahrzeuge eine Höchstgeschwindigkeit bis zu 100 km/h. Wenn man dort mit 45 km/h unterwegs ist, kann das nicht ungefährlich sein. Und nicht selten sind Wirtschaftswege für Radfahrende, auch mit S-Pedelec, eine gute und schnelle Routenalternative.
Dazu kommt mitunter auch folgende Situation: Es gibt für eine wichtige Verbindung eine Autobahn oder mehrspurige Kraftfahrstraße, z.B. als Brücke über einen Fluss. Auf der Autobahn dürfen S-Pedelec-Fahrende jedoch nicht unterwegs sein. Und den begleitenden Radweg dürfen sie auch nicht nutzen. Das heißt sie haben überhaupt keine Möglichkeit zur Nutzung dieser Verbindung und müssen teilweise große Umwege in Kauf nehmen.
Daher hat das Verkehrsministerium NRW einen Erlass herausgebracht, der regelt, unter welchen Voraussetzungen und wie Wege für S-Pedelecs ausnahmsweise freigegeben werden können.[3]
Die Freigabe geschieht über ein Zusatzzeichen, das unter den Verkehrszeichen 237, 240, 241, 244.1, 244.3, 250, 255 oder 260 angebracht werden kann:
Der Erlass enthält einige Hinweise, wo eine Freigabe für S Pedelecs vorstellbar ist. Dazu gehören innerhalb geschlossener Ortschaften in der Regel nur Radschnellwege/Radschnellverbindungen sowie Fahrradstraßen und Fahrradzonen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können je nach Lage Radwege, gemeinsame oder getrennte Geh-/Radwege oder für den KFZ-Verkehr gesperrte Wirtschaftswege freigegeben werden.
In allen Fällen ist besonders darauf zu achten, ob die Straßen/Wege auch mit höheren Geschwindigkeiten gut und sicher befahrbar sind. Eine sehr hohe Priorität hat die Sicherheit des Fußverkehrs, die unbedingt zu beachten ist. Vor allem dort, wo viele Fußgänger*innen unterwegs sind, dürfte die Freigabe von Geh-/Radwegen nicht in Frage kommen.
Nicht im Erlass thematisiert, aber dennoch eine Überlegung wert: Bei wichtigen Lückenschlüssen für S-Pedelec-Fahrende, z.B. an Autobahnbrücken, wo durchaus Fußgängerverkehr herrscht, ist es denkbar, für einen Geh-/Radweg auch eine eigene Geschwindigkeitsbegrenzung z.B. von 20 km/h anzuordnen. Daran müssen sich dann sowohl Radfahrende wie auch S-Pedelec-Fahrende halten. Oftmals ist es für sie auch schon gut, wenn sie eine Verbindung dann überhaupt nutzen können, statt große Umwege in Kauf zu nehmen.
Zuständig für die Abwägung und die Freigabe ist die Straßenverkehrsbehörde. In den kreisfreien Städten sind das die Städte selbst, ebenso in mittleren und großen kreisangehörigen Städten. Bei kreisangehörigen Gemeinden ist die Straßenverkehrsbehörde beim Kreis.[4] Vor einer Anordnung des Zusatzzeichens müssen sie den jeweiligen Straßenbaulastträger (Stadt, Kreis oder Kommune) und die Polizei anhören.[5]
Mit dem Erlass schafft nun da NRW-Verkehrsministerium eine Grundlage, mit der die Straßenverkehrsbehörde vor Ort Radwege für S-Pedelecs freigeben können. Sie müssen es nicht.
Einige sehen die Freigabe von Wegen für S-Pedelec kritisch, so z.B. FUSS e.V., und auch der ADFC weist darauf hin, dass unmotorisierter Radverkehr nicht verdrängt werden darf.[6]
Es ist auch vom Erlass her schon deutlich, dass eine Freigabe an enge Voraussetzungen geknüpft ist. Dazu zählt zu allererst der Schutz von Fußgängern und weiteren Radfahrenden. Ist dies auf bestimmten Strecken gegeben, kann deren Freigabe für S-Pedelec-Fahrende eine sinnvolle Maßnahme sein, um vor allem auf längeren Strecken umweltfreundliches Pendeln attraktiver zu machen.
Hier gibt es einen Musterantrag für kommunale Räte:
Der Volltext des Erlasses ist hier einsehbar:
[1] https://www.adfc.de/neuigkeit/fahrrad-und-elektrorad-markt-auch-2022-stabil
[2] https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/zweirad/fahrrad-ebike-pedelec/vorschriften-verhalten/pedelec-ebike/
[3] Erlass Aktenzeichen VII C 4 – 58.91.26 vom 18.07.2023
[4] s. §§ 5 und 10 der Zuständigkeitsverordnung Straßenverkehr des Landes NRW (https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=9&ugl_nr=92&bes_id=34885&aufgehoben=N&menu=1&sg=0)
[5] Verwaltungsvorschrift zur StVO (https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26012001_S3236420014.htm), Rnr. 1 zu § 45
[6] WDR-Artikel vom 27.07.2023