Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2018/2019 der Stadt Sankt Augustin

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fraktion im Rat der Stadt Sankt Augustin

Martin Metz, Fraktionsvorsitzender

 

Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2018/2019 am 06.12.2017

– es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Ratskollegen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, Dezernenten, Verwaltungsmitarbeiter,
es gibt so manche Parallele zwischen einer ungeklärten Situation auf Bundesebene und hier bei uns vor Ort: Die Zeiten der eindeutigen Mehrheit in der Politik sind tendenziell vorbei. Demokratie wird fordernder, Demokratie wird anstrengender.

Für uns in den politischen Parteien ist es ein Balanceakt zwischen Verantwortungsübernahme und parteipolitischer Profilierung und Glaubwürdigkeit. Das alte Muster ist: Eine Mehrheit hat Macht und Verantwortung und eine Minderheit kritisiert dies. Sofern das auf kommunaler Ebene jemals so einfach war: Jetzt trifft es auf jeden Fall nicht mehr zu. Alle müssen und sollten Verantwortung übernehmen, glaubwürdig bleiben. Wir zeigen: Die Politik ist handlungsfähig. Demokratie ist nicht nur bei den Worten lebendig, sondern auch bei den Taten. Und wenn andere kommen, außerhalb der Demokratie, Rechtsradikale, die in Parlamente schleichen, mit bürgerlicher Fassade, dann zeigen wir: Nein, es gibt die Auseinandersetzung, produktiv, verantwortungsbereit, innerhalb des demokratischen Spektrums. Es gibt Glaubwürdigkeit und Profile.
Verantwortungsbereitschaft – Was heißt das?  In Verantwortung steckt die Antwort. Kann man Entscheidungen verantworten? Kann man diesen Haushalt verantworten? Gibt er aus unserer Sicht die richtigen Antworten auf die Herausforderungen?

 

Bei diesem Haushalt ist diese Entscheidung nicht einfach:

Die deutliche Erhöhung der Grundsteuer um 60 Punkte in 2019 und voraussichtlich 50 Punkte in 2021 ist der Haushaltssicherung mit Blick auf 2022 geschuldet. Ist der Haushaltsausgleich planerisch nur so zu erreichen? Uns wurde jedenfalls, so schmerzhaft es auch ist, kein anderer kurzfristiger Weg gezeigt, wie wir die Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens anders erhalten können.

Unsere Verantwortung ist aber auch: Wir müssen Innerhalb des engen Spielraums zeigen, wo Spiel ist, wo Gestaltung geht.

Natürlich ist Sankt Augustin keine Insel. Das sieht man schon am Haushalt und der Abhängigkeit von Bund und Land. Was die neue schwarz-gelbe Landesregierung liefert, die sich so kommunalfreundlich gegeben hat, ist ein klassischer Fehlstart. Die Weiterleitung der Integrationspauschale, zu Oppositionszeiten noch groß angekündigt, unterbleibt. Die zusätzliche Krankenhausfinanzierung wird zu großen Teilen bei den Kommunen abgeladen, mit hohen Mehrkosten für Sankt Augustin. Das sind schlechte Antworten, die da aus Düsseldorf von schwarz-gelb kommen.

Nein, Sankt Augustin ist keine Insel. Die Zusammenhänge auf der Welt, Arm und Reich, Migration, prägen die Diskussionen hier. Wie kann man gut, sozial, umweltbewusst leben und Gemeinschaft gestalten? Unsere Fragen sind auch die Fragen anderer. Und die Antworten müssen wir auch mit Blick darauf geben.

Deshalb ist ein GRÜNER Erfolg des letzten Jahres so wichtig: Sankt Augustin wird FairTrade-Stadt. Es ist ein gutes Signal, dass unsere Stadt als Gemeinwesen nicht die Augen verschließt vor den grundsätzlichen Fragen der Welt, die wir auch direkt erleben.

Das Thema Migration und Flucht hat die Diskussionen der letzten Zeit geprägt. Ohne das großartige Engagement der Ehrenamtlichen wäre die Situation nicht gemeistert worden – dafür herzlichen Dank! Und beim Thema ZUE geht der Dank an alle Fraktionen: Wir haben eine Position gefunden, welche die Interessen der Stadt klar artikulierte, ohne rechten Rattenfängern Raum zu geben. Das war und ist ein Qualitätsbeweis für die Ratsarbeit. Das Leitthema Unterbringung ist aufgrund der geringeren Fluchtzahlen, oft aus zweifelhaften Gründen, entschärft. Das heißt nicht, dass das Thema erledigt ist. Wir müssen Antworten darauf finden, wie wir die Menschen, die bei uns bleiben, nachhaltig integrieren können. Wir GRÜNE unterstützen ausdrücklich die Verwaltung in ihrem Bestreben, hier mehr zu leisten, und die damit verbundenen neuen Akzente.
Und wenn wir hier vor Ort an die Welt und an die Herausforderungen denken, dann denken wir auch eben daran, was wir konkret tun können. Denn eine mangelhafte Finanzausstattung darf nicht dazu führen, bei zentralen Zukunftsfragen keine Antworten zu geben.

Eine GRÜNE Leitfrage ist: Wie können wir Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz leisten und trotzdem Leistungsfähigkeit und Mobilität gewährleisten und verbessern?

Und da gibt der Haushalt auch GRÜNE Antworten:

  • Wir wollen Sankt Augustin bei der E-Mobilität voranbringen. Die Mittel dafür stehen bereit.
  • Im Haushalt stehen Mittel für die Mobilstation.
  • Das von uns GRÜNEN angestoßene Radverkehrskonzept geht in die Umsetzung – mit 35.000 Euro in 2018 und 190.000 Euro in 2019. Gut, dass die Verwaltung mit Dezernent Rainer Gleß das von sich aus im Haushalt vorgesehen hat. Dazu haben wir mit Umschichtungen durch Änderungsanträge gemeinsam mit der SPD den Weg frei gemacht für bessere Fahrradabstellanlagen.

Das Signal in diesem Haushalt ist klar: Wenn eine Region im Stau steht, muss Politik etwas bewegen für umweltfreundliche und bessere Mobilität. Und da gibt der Haushalt gute Antworten.

Gleiches gilt für das Thema Grünflächen. Das Insektensterben ist in aller Munde. Auch wir vor Ort müssen uns dem Thema widmen und unseren Beitrag leisten. Mit 15.000 bzw. ab 2020 20.000 Euro zusätzlich für die Grünflächen zur Neuausrichtung für Insektenschutz und Artenvielfalt geben wir eine erste Antwort. Und das Thema Umweltschutz geht weiter, mit unserem GRÜNEN Einsatz für eine Vernetzung der Landschaft.

In einer wachsenden Region muss man Lückenschlüsse nicht nur in asphaltgrau denken, sondern gerade auch in Grün.

Und die Frage des Klimaschutzes, global wie lokal, wird weiter beantwortet: Wir bauen unsere Stadtwerke auf. Sie werden bald die 2. Stufe zünden. Wir GRÜNE freuen uns darauf, einen neuen – kommunalen – Akteur für die Energiewende vor Ort zu haben, der immer handlungsfähiger wird. Die Maßnahmen im Integrierten Klimaschutzkonzept müssen allerdings noch präzisiert und vor allem stringent umgesetzt werden. Und vor allem: Wir müssen Klimaschutz konkret machen, bei jeder Planung. Ein Beispiel ist das Baugebiet Menden Süd wo wir GRÜNEN uns eben erfolgreich dafür eingesetzt haben, dass die abstrakten Ideen auch konkret werden. Das ist dann eine ehrliche Antwort auf die Frage von mehr Klimaschutz.

Das führt uns zur nächsten GRÜNEN Leitfrage: Wie kann man in einer wachsenden Region die Stadtentwicklung ökologisch vertretbar und gerecht gestalten?

Die Antworten sind noch zaghaft. In unserem Zentrum tut sich einiges. Das ist gut so. Und natürlich ist der neue HUMA besser als der alte, auch wenn unsere Vorbehalte gegenüber mancher städtebaulichen Ausgestaltung bekannt sind. Dennoch muss noch einiges geleistet werden, bis man wirklich von einer urbanen Stadtmitte reden kann.

Ein Teilaspekt ist natürlich die städtebauliche Aufwertung. Das wollen wir auch. Aber vor dem Hintergrund der Haushaltslage stellt sich natürlich die Frage, wie etwas konkret ausgestaltet wird und welche Priorität das hat. Unser Einsparvorschlag bei der Marktplatte wurde leider abgelehnt. Aber immerhin hat unser Bohren – hoffentlich – genutzt, dass man bei weiteren Projekten wie der Südstraße und anderen Plätzen zu Einsparungen kommt.

Eine Kernfrage ist der Schaffung sozialen bzw. preisgünstigen Wohnraums. Denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis für die Menschen und die aktuelle Lage spaltet auch eine Gesellschaft. Da müssen bessere Antworten her. Aber die sind nicht einfach zu finden:

Die vom Planungsdezernat angemeldeten Mittel von 2,7 Mio. Euro für aktive Grundstückspolitik werden von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt. Ein Unding. So profitieren von der städtebaulichen Entwicklung nur die Eigentümer freier Grundstücke. Wir brauchen hier nach Meinung der GRÜNEN dringend mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Wir versprechen uns dabei auch viel vom den Prozess, den wir gerade in der Wirtschaftsförderungsgesellschaft angestoßen haben. Die Stadt muss ein aktiver Player werden. Das gilt auch gerade, wenn man konkret Ortskerne entwickelt, wie beispielsweise in Menden und Buisdorf

Denn: Gutes Wohnen in einer guten Umgebung darf kein Luxus sein. Da müssen noch Antworten her, damit die Stadt hier eine nachhaltige Stadtentwicklung besser gestalten kann! Denn das ist fundamental für die Gemeinschaft.

Und das führt zur nächsten GRÜNEN Leitfrage: Wie schaffen wir verantwortbar, Mittel für Kinder und Jugendliche, für Vereine, für soziales Zusammenleben, in Stadt und Quartier, bereit zu stellen?

Dabei haben wir bereits viel geleistet:

  • Beim Sport: Gemeinsam mit der SPD haben wir GRÜNE dafür gesorgt, dass nach Birlinghoven und Buisdorf auch Meindorf als letzter Ortsteil einen neuen Sportplatz erhält. Und mit diesem Haushalt wird auch etwas für die geplanten Vereinsräumlichkeiten des FC Sankt Augustin getan.
  • Bei der Schule: Auf Antrag von SPD und GRÜNEN – mit Zustimmung aller anderen Fraktionen – setzen wir ein klares Signal und verankern die Schulsozialarbeit langfristig im Haushalt. Und – bei Gegenstimmen der CDU – haben wir nun für drei Jahre je 100.000 Euro im Haushalt eingestellt für Sanierungen an Schulen, zum Beispiel der Schultoiletten.

Gerade letzterer Beschluss ist ein gutes Signal. Geld für die Kleinsten hat die größte Bedeutung!
Und beim KiTa- und Schulbereich ist natürlich in den letzten Jahren mit viel Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch einiges passiert, wie die Verbesserungen bei den OGS-Räumlichkeiten und neue KiTas, zum Beispiel in Menden und bald auch in Buisdorf.

Doch wir wissen auch, die Fragen werden kommen: Wie geht es weiter? Und da muss man ehrlich antworten: Alles steht nicht im Haushalt, wegen „mangelnder Veranschlagungsreife“, auch wenn Planungen teilweise laufen, z.B.

  • Kombibad im Stadtzentrum
  • Nachbarschaftszentrum Freie Buschstraße
  • Ausbau der Grundschulen Menden und Ort
  • Bedarfsgerechte OGS in Meindorf und Buisdorf
  • KiTas, vor allem im Bereich Ort/Niederpleis und in Birlinghoven

Wir GRÜNE machen da Druck, denn das hat die höchste Priorität.

Und genau deshalb stellen wir die Fragen nach Prioritäten und Einsparmöglichkeiten. Denn wenn das alles realisiert werden soll, und das soll es nach dem Willen der GRÜNEN, dann wird die knappe „Luft“ für Investitionen von jährlich 2 – 3 Millionen im Haushalt schnell zusammengepresst. Gerade bei den Schulen und bei den KiTas müssen wir uns stärker engagieren.

Ausgaben für gute Betreuung unserer Kinder sind nicht nur pflichtig, sie sind auch sehr richtig für eine starke soziale Gemeinschaft!

Also: Viele Fragen stehen im Raum, die Antworten sind von unterschiedlicher Qualität. Wir Politiker sind keine Weihnachtsfrauen und -männer, sondern Entscheiderinnen und Entscheider. Wir haben die Verantwortung, Antworten zu finden.

Das ist in den derzeitigen Konstellationen, ohne klare Mehrheiten, vielleicht besser möglich. Es ist eine Chance
für die Demokratie. Erinnert sei an die Umorganisation im Bereich Personal mit Neubesetzung von WVG/EVG und des Sozialdezernates in der letzten Zeit. Eine richtige Entscheidung, die hier von SPD, FDP und GRÜNEN mit Unterstützung von Linken und Aufbruch angestoßen wurde. Mit unserem neuen Sozialdezernenten Ali Dogan arbeiten wir auch in Zukunft gerne zusammen.
Diesen Umgang, diesen produktiven Streit, die Diskussion über Prioritäten – die Formulierung von Antworten auf die entscheidenden Fragen – werden wir fortführen. Der GRÜNER Kurs ist klar:

  • Haushalt nachhaltig aufstellen
  • Umwelt- und Klimaschutz voranbringen
  • Soziale Angebote ausbauen

Da gibt es natürlich noch viel zu tun.

Dies Frage ist: Ist dieser Haushalt die richtige Grundlage, mit der man Antworten finden kann.

Wir GRÜNE sagen: Ja, das ist eine Grundlage, auf der wir arbeiten können. Er gibt erste Antworten auf die sozialen und ökologischen Fragen. Also übernehmen wir Verantwortung und stimmen dem Haushalt zu.

Das Ringen um richtige Antworten ist nicht immer einfach. In der Politik und zwischen Politik und Verwaltung. Auch deshalb: Danke an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verwaltung, insbesondere Herr Rupp und sein ganzes Team.

Ein besonderer Dank an die Sozialdemokraten mit Marc Knülle und an die Freien Demokraten mit Stefanie Jung, die mit uns GRÜNEN die Treiber sind auf der Suche nach Sachorientierten Mehrheiten. Danke aber auch an die Unterstützung durch den Aufbruch mit Wolfgang Köhler und die Linken mit Krishna Koculan sowie natürlich auch an die größte Fraktion, die CDU mit Georg Schell. Wir zeigen: Demokraten stellen Fragen und ringen verantwortungsvoll um Antworten.

In diesem Sinne wünsche ich im Namen der GRÜNEN Fraktion Frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr 2018. Packen wir es an.