Der Stadtrat Sankt Augustin hat am Mittwoch 24. März den Nachtragshaushalt 2021 beschlossen. Sicherlich die wichtigste und auch schwerste Entscheidung: Der Grundsteuer-Hebesatz steigt 2021, entsprechend dem Vorschlag von Bürgermeister Dr. Leitterstorf (CDU) von 550 auf 750, eine Anhebung auf 600 war schon früher beschlossen worden. Dies entspricht einer Steuererhöhung von etwa 36,4 %. Die „normalen“ Haushalte werden mit 3 bis 17 Euro pro Monat mehr belastet, im Mittel etwa 7 Euro monatlich. Die Ausgaben der Stadt liegen bei etwa 175 Mio. Euro pro Jahr, die Erhöhung der Grundsteuer B führt zu etwa 4 Mio. Euro Mehreinnahmen.
Die GRÜNEN haben sich die Entscheidung sehr schwer gemacht und gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern SPD und FDP bis zuletzt versucht, die Grundsteuer-Erhöhung noch abzumildern. Am Ende, nach intensiver Diskussion, folgt die Kooperation jedoch dem Vorschlag des Bürgermeisters zur Erhöhung auf 750 Hebesatz-Punkte. Auch die weiteren Ratsfraktionen (CDU, Aufbruch) stimmten zu. Gerade aktuell, wo viele Bürger*innen durch die Corona-Pandemie finanzielle Einbußen haben, ist dies sehr schmerzhaft. Das Ziel ist, einen Not-Haushalt und damit massive Einschnitte zu vermeiden.
Für die GRÜNEN steht im Mittelpunkt, dass Sankt Augustin handlungsfähig bleibt. Denn nur mit einer handlungsfähigen Stadt können die Herausforderungen der Zukunft in einer wachsenden Stadt gemeistert werden, so vor allem:
- Klimaschutz und Mobilitätswende: Sankt Augustin soll bis 2035 klimaneutral werden. Für ein Update des Klimaschutz-Konzepts wurden auf Antrag von GRÜNEN, SPD und FDP Mittel in den Haushalt eingestellt. Investitionen in Energieeinsparung und erneuerbare Energien oder gute Radwege müssen verstärkt angegangen werden.
- Soziale Infrastruktur: Um mehr Kita-Plätze zu schaffen, sind durch Initiative der Kooperation viele Projekte auf den Weg gebracht, die noch finanziert werden müssen. Gleiches gilt für den Ausbau von Grundschule inklusive Ganztagsbetreuung. Und durch mehr Schüler*innen müssen auch weiterführende Schulen – konkret Gesamtschule und Rhein-Sieg-Gymnasium – ausgebaut werden. Auch die Sportstätten und Angebote bei Kultur und Jugend müssen gepflegt werden.
- Digitalisierung: Ziel der Kooperation ist eine umfassende Digitalisierung. Das betrifft Bürgerservice und andere Antragsverfahren. Es geht aber auch um bessere digitale Ausstattung der Schulen. Und nicht zuletzt soll Digitalisierung der Verwaltung auch zu mehr Effizienz und besseren Leistungen führen.
Alles dies und mehr wäre massiv gefährdet, wenn die Stadt in einen Not-Haushalt müsste. Davon wäre aber angesichts der durch die Folgen der Corona-Pandemie perspektivisch schwierigeren Finanzlage auszugehen. Die Erhöhung der Einnahmen ist daher schmerzhaft, aber richtig.
Es wird zukünftig besonders wichtig sein, die Einnahmebasis der Stadt über Gewerbeansiedlungen zu erhöhen. In der Vergangenheit wurde gegen die Stimmen der GRÜNEN oft der Fehler gemacht, dass die knappen Flächen in Gewerbegebieten vielfach durch Einzelhandels-Filialen oder sogar Gastronomie-Ketten besetzt wurden, deren Beitrag zur Gewerbesteuer bescheiden sein dürfte. Die GRÜNEN wollen die Gewerbeflächen an der Einsteinstraße, in Menden am Bahnhof und zukünftig auch im Zentrum im Schwerpunkt für produzierende Unternehmen, Handwerker*innen und innovative Firmen reservieren. Dies wird zu deutlich mehr Gewerbesteuereinnahmen führen.
Die GRÜNEN setzen aber nicht nur auf mehr Einnahmen. Einsparungen sind oft nicht kurzfristig zu realisieren. Das darf aber nicht heißen, dass sie nicht angegangen werden. Mehr Effizienz in der Verwaltungsarbeit und mehr Zusammenarbeit mit anderen Kommunen müssen endlich angegangen werden. Die GRÜNEN erwarten, dass der Bürgermeister als Verwaltungs-Chef hier bald Vorschläge erarbeitet.
Und schließlich: Die GRÜNEN setzen sich im Bund und im Land NRW dafür ein, dass die Städte und Gemeinden endlich eine dauerhaft solide Finanzausstattung bekommen. Denn obwohl die Aufgaben und Herausforderungen zunehmen, sind viele Kommunen immer noch unterfinanziert. So kommt es eben, dass, während der Bund zum Beispiel den Solidaritätszuschlag abschafft und damit viele Menschen um mehrere hundert Euro entlastet, gleichzeitig Städte wie Sankt Augustin die Grundsteuer erhöhen müssen und dafür den verständlichen Ärger ihrer Bürger*innen wecken. Zukunft wird vor Ort gemacht! Und deshalb müssen die Städte und Gemeinden endlich den Handlungsspielraum erhalten, um Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz, Soziales, Bildung und Betreuung sowie Digitalisierung nach vorne bringen zu können.
Hier die wichtigsten Hintergrund-Infos zur Grundsteuer:
Wie berechnet sich die Grundsteuer B?
Die Grundsteuer B (für bebaute und unbebaute, nicht-landwirtschaftlich genutzte Grundstücke) wird je Immobilie erhoben, unabhängig davon wie viele Personen darin wohnen. Vermieter*innen legen die Grundsteuer in der Regel auf die Mieter*innen um. Das heißt: Die Grundsteuer zahlen quasi alle Menschen, die in Sankt Augustin leben. Die Grundsteuer B errechnet sich aus dem Grundsteuer-Messbetrag je Immobilie und dem Hebesatz, den die Kommune festlegt.
Grundsteuer = Messbetrag x Hebesatz
Der Messbetrag richtet sich nach dem Wert der besteuerten Immobilie. Eine kleine Wohnung im Mehrfamilienhaus hat einen geringeren Messbetrag als ein großes freistehendes Einfamilienhaus.
Wie sehr wird die Grundsteuer B nun erhöht und was hat das für Auswirkungen für die Einzelnen?
Bis einschließlich 2020 lag der Grundsteuer-Hebesatz in Sankt Augustin bei 550 Punkten. Er wird nun ab 2021 um 200 Punkte auf 750 Punkte erhöht.
Als Beispiel hier die realistische Berechnung für die Eigentümer*innen eines freistehenden Einfamilienhauses mit einem Messbetrag von 100,- Euro:
Bisher: 100 € Messbetrag x 550 Hebesatz = 550 Euro Grundsteuer B / Jahr
Ab 2021: 100 € Messbetrag x 750 Hebesatz = 750 Euro Grundsteuer B / Jahr
Dies entspricht einer Erhöhung um 36,4 %, im konkreten Beispiel eines freistehenden Einfamilienhauses 200 Euro oder 16,67 Euro im Monat.
Welche Rolle spielt die Grundsteuer B im städtischen Haushalt?
Neben der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer B die einzige nennenswerte Einnahmequelle, welche die Stadt direkt beeinflussen kann. Alles andere sind Zuweisungen von Land und Bund oder kostendeckende Gebühreneinnahmen. Die Ausgaben der Stadt betragen insgesamt ca. 175 Mio. Euro pro Jahr. Die Grundsteuer B brachte zuletzt ca. 11,4 Mio. Euro. Die Erhöhung bedeutet Mehreinnahmen von ca. 4 Mio. Euro.
Wie liegt Sankt Augustin im Vergleich der Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis?
Bis einschließlich 2020 lag Sankt Augustin im Rhein-Sieg-Kreis deutlich unter dem Mittelwert der Grundsteuer-Hebesätze. Dies ändert sich mit der Erhöhung, sodass man demnächst mit einem Hebesatz 750 über dem Mittelwert liegt. Allerdings erhöhen viele Kommunen aufgrund einer vergleichbaren Lage derzeit den Hebesatz. In Siegburg liegt er schon länger bei 790 Punkten, Alfter erhöht wie Sankt Augustin auf 750, Bornheim diskutiert gerade einen Haushaltsentwurf mit einem Hebesatz von 770 Punkten.
Warum wird der Grundsteuer-Hebesatz jetzt so drastisch erhöht?
Die Städte und Gemeinden sind ganz wesentlich auf die Finanzausstattung durch Bund und Länder angewiesen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, ihren Haushalt auszugleichen. Gelingt ihnen das nicht, wird ihnen ein Stück weit die Autonomie genommen.
- A. Ist ein Haushalt ausgeglichen, kann die Stadt frei entscheiden.
- B. Ist ein Haushalt nicht ausgeglichen, muss die Stadt über ihre Planung (Haushaltssicherungs-Konzept) nachweisen, dass sie innerhalb von 10 Jahren den Ausgleich schaffen kann. Dazu entwickelt sie Maßnahmen. Kann sie nachweisen, dass das funktioniert, wird der Haushalt mit Haushaltssicherungskonzept genehmigt. Die Stadt ist im Rahmen des Konzepts relativ frei.
- C. Kann eine Stadt nicht nachweisen, den Ausgleich zu schaffen, oder schafft sie ihn tatsächlich nicht innerhalb von 10 Jahren, gerät die Stadt in den „Nothaushalt“. Damit ist die Stadt besonders beschränkt und muss viele Ausgaben, zu denen sie im engeren Sinne rechtlich nicht verpflichtet ist, streichen. Die Aufsichtsbehörden machen strenge Vorgaben.
Sankt Augustin hat ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept (B). Allerdings ist 2022 die Frist von 10 Jahren abgelaufen, der Haushalt 2022 muss ausgeglichen sein. Ansonsten rutscht die Stadt in den Not-Haushalt (C).
Es ist allerdings wahrscheinlich, dass 2022 wegen der Corona-Pandemie ein finanziell besonders kritisches Jahr wird, weil die schlechteren Steuereinnahmen voll auf die Kommunen durchschlagen. Daher will die Stadt Sankt Augustin nun den Haushaltsausgleich in 2021 schaffen und erhöht dafür die Grundsteuer deutlich.